WELCHE SCHWACHSTELLEN GIBT ES IN DER FLEISCHINDUSTRIE ?

Schwachstellen sicher eliminieren

Die Erkennung hygienischer Risikopotenziale in der Rohwurstherstellung schafft
Lebensmittelsicherheit

Die Anforderungen an die betriebseigene Qualitätssicherung, aber auch des Handels in Bezugnahme auf Haltbarkeiten (MHD), wie zur „nachweisbaren“ Hygienesicherheit (besonders pathogener Keime), ist aufgrund von aktuellen Meldungen drastisch gestiegen.

In der letzten Zeit häufen sich Meldungen zu Salmonellen- und Listerien-Rückrufaktionen, Campylobacter im Geflügelfrischfleisch und ähnlichen Ereignissen, die sehr zur Verunsicherung der Verbraucher beitragen. Immer wieder schaffen solche Vorfälle Anlass zu umfassenden Auslistungsaktionen beim Handel. Woran liegt das und wie können in der Fleischwarenverarbeitung solche Szenarien verhindert werden?
Mehr und mehr müssen die Mitarbeiter der QS-Abteilungen in den Betrieben, die meist für die Hygieneüberwachung zuständig sind, administrative Arbeiten zur Vorbereitung auf Audits leisten. Dadurch entsteht für diese Arbeiten ein erhöhter Zeitbedarf, der auf der anderen Seite dazu führt, dass die notwendige Zeit im laufenden Betrieb zu kontrollieren, nicht mehr ausreichend zur Verfügung steht. Hier helfen nur geeignete betriebliche organisatorische Maßnahmen, hier wieder ausreichend Kapazität für laufende interne Betriebskontrollen zu schaffen.
Häufig stellt sich bei einer Ablaufanalyse heraus, dass eine definierte und den hygienischen Produktanforderungen gerecht werdende Kompetenzzuordnung (Matchball der QS) in vielen Betrieben nicht vor liegt. Auch hier liegt die Lösung in angepassten organisatorischen Maßnahmen, um hier klar definierte – und damit steuer- und beherrschbare – Verhältnisse für eine sichere Produktion zu schaffen. Grade bei der Rohwurstherstellung haben das Klima, die baulichen Voraussetzungen, sowie die prozesstechnischen Abläufe, einen ausschlaggebenden Einfluss auf die hygienische Produktqualität. Leider werden sie aber zu wenig beachtet. Dieses führt dazu, dass Rohwurst in der Praxis immer noch als „schwieriges“ Produkt gilt, weil es zu wirtschaftlichen Einbußen durch Fehlchargen kommen kann.

Daneben ist natürlich die hohe Kapitalbindung durch die im Vergleich zu anderen Wurstgattungen längere Produktionsdauer ein wichtiger Faktor, die Herstellung von Rohwurst und anderen rohen Fermentationsprodukten auf eine sichere Basis zu stellen. Hier ist das
hygienische Qualitätsmanagement des Betriebes durch die Notwendigkeit einer abgestimmten und sicheren Betriebshygiene deutlich mehr gefordert.

Senkung der klimatischen Risikopotenziale

Das ureigenste Interesse der Betriebshygiene (unter gegebenen baulichen Bedingungen) muss also die Verringerung und Vermeidung „nachteiliger Beeinflussung“ mikrobiologischer, aber auch klimatischer Risikopotenziale (oft die Ursache für hygienische Risiken) sein, die von Gebäude, Einrichtungen, Anlagen, aber auch von Personal und den Produkten selber ausgehen.
Negative Begleiterscheinungen eines unzulänglichen Prozessumfeldes oder Luftmanagements, sind z.B. die ungenügende Abführung innerer klimatischer Lasten (wie Feuchte, Wärme etc.). Hieraus resultiert oft eine unkontrollierte Verteilung dieser Lasten im gesamten Prozessumfeld, auch bereichs- und raumübergreifend. Aber auch die feuchteintensiven Reinigungs- und Desinfektionsanwendungen sind eine Ursache.

Sie bewirken oft, das die Produktionsräume in der zur Verfügung stehenden Zeit nicht ausreichend trocknen können. Die dann entstehende Restfeuchte bietet Keimen eine sehr gute Lebensgrundlage.

Hier gibt es neue Ansätze mit natürlichen Substanzen als Alternativentkeimung über eine Kaltvernebelung, den feuchteeintragenden Schritt der chemischen Desinfektion bei gleicher Hygieneabsicherung, aber mit deutlich weniger Feuchtigkeit durchzuführen, was das generelle Feuchteproblem im Raum signifikant reduziert.

Risikoerkennung und -analyse

Betrachtet man den linearen Prozessablauf in der Fleischwarenherstellung als eigenes System, so ergeben sich bei kybernetischer Betrachtung der hygiene-klimatischen Voraussetzungen im Umfeld schnell Hinweise darauf, wo und wie sich hygienische Risiken ergeben. Dazu kann mit einer einfachen Untersuchung linear zum Prozessablauf eine manifestierende hygienische Risikountersuchung – auch in Anlehnung an die BCR/IFS Regelungen – erfolgen, um mögliche Risiken schon im Vorfeld zu erkennen und geeignete Maßnahmen zu ergreifen, bevor Schaden entsteht. Besonders große Probleme treten dann auf, wenn der Schaden nicht durch betriebliche Grenzen beschränkt wird, sondern nach Auslieferung beeinträchtigter Ware in den Handel und möglicherweise sogar an die Verbraucher gelangt.

Zur Einstufung wird das hygienische Risiko zur Lebensmittelsicherheit und Haltbarkeit als Maßstab herangezogen.

Die Stufe 1 = gering nehmen Lebensmittel wie beispielsweise stark abgetrocknete Rohwürste mit einer Haltbarkeit von mehr als drei Monaten sowie umhüllte und verpackte Lebensmittel ein.

Die Stufe 2 = mittel umfasst Lebensmittel mit einer Haltbarkeit von mehr als einer Woche, die stabilisiert sind oder unmittelbar nach Herstellung verzehrt werden.

Der Stufe 3 = hoch werden Lebensmittel mit einer Haltbarkeit von weniger als einer Woche zugeordnet, deren bestimmungsgemäßer Verzehr ohne Wärmebehandlung erfolgt und die zum Rohverzehr geeignet sind.

Grundlage ist immer die Bewertung des jeweiligen Produktes und die damit einhergehenden Zuordnung, ab welchem Verarbeitungsschritt die Risikopotenziale vorliegen und in welcher Höhe sie zu erwarten sind.

Die in Anlehnung an BRC/IFS Food durchgeführten Risikobewertungen und -analysen zeigen die bestehende hygienische Lebensmittelqualität und -sicherheit auf und geben Aufschluss darüber, ob das bestehende HACCP-Konzept des Unternehmens ausreichend ist.

Sie bilden die vorliegende Hygiene und das Hygienemanagement im Betrieb ab und sind somit die Grundlage für die Bewertung hygienischer Risiken für Audits.

Ebenso schaffen sie auch die Basis für die von zahlreichen Abnehmern geforderte Darstellung „BCR Balance between Chance & Risk“, die zur Einschätzung unvermeidbarer Restrisiken dient.

Die Untersuchungen folgen dem Leitfaden zur Clusteruntersuchung der hygienischen Schwachstellen im Prozessablauf über die Punkte:

  • Produktionslogistik mit Produktionstechnik und Gebäudebeschaffenheit
  • Prozessabläufe (z.B. therm. Behandlung, Kühlung, Konfektionierung)
  • Prozesstechnik wie Slicer, Transportbänder, usw.
  • Prozessumfeldtechnik, wie Kühlung, Lüftung, usw.
  • Ablauf der Reinigung u. Desinfektion
  • Mitarbeiterverhalten

Risikobewertung im laufenden Prozess

Die Analyse zur hygienischen Risikobewertung im laufenden Prozess dient neben anderen Untersuchungspunkten auch der Erfassung von Quellen

innerer Lasten wie Feuchtigkeit und Wärme. Hier sind oft Reinigungsbereiche wie beispielsweise die Kistenwäsche in direkter Anbindung an gekühlte Prozessräume, unkontrolliert austretende Schwaden, Feuchte eintragende Reinigungs- und Desinfektionsprozesse und anderes mehr die Entstehungsursache erheblicher innerer Lasten.

Auch unkontrolliert austretende Schwaden im Produktionsprozess tragen Feuchtigkeit und damit eine innere Last ein, die das Hygienerisiko erhöht.
Die Visualisierung der vorliegenden Luftströmungen zur Darstellung der Druckverhältnisse dient als Indikator zur Verschleppung innerer Lasten und zeigt, ob und wie sich Verschleppungen innerer Lasten – wie auch Keime – im Prozessfeld auf hygienische Risiken auswirken.

Die Luft wie auch Produkt berührende Oberflächen haben einen wesentlichen Einfluss auf möglich Kontaminationen als hygienisches Risiko. Deshalb weist

die Erfassung von Luft- und Oberflächenbelastung auf das Risiko von Crosscontaminationen hin.

Auch Umluftkühlaggregate und die Zuluftanlage wie auch Kühlräume nehmen Einfluss auf das Produkt und müssen in der Analyse erfasst werden, um einen abgestimmten Maßnahmenplan zur gezielten Risikominimierung erarbeiten zu können.

Nach Abschluss der hygieneklimatischen
Prozessumfelddatenerfassung können aus den Ergebnissen sichere Optimierungsmaßnahmen abgeleitet werden, die
auch im Einklang mit den internen Anforderungen, wie beispielsweise vom Handel geforderten Grenzwerten, abgestimmt sind.
Anhand der Ergebnisse können an den untersuchten Messpunkten Hygiene und Klima verbessernde Maßnahmen und Veränderungen technisch sowie operativ ausgelegt und bewertet werden. Auch stellen sich die notwendigen kritischen Kontrollpunkte (CCP) für ein an die betrieblichen Belange angepasstes HACCP-System transparent dar.

ZUSAMMENFASSUNG

Durch eine gezielte hygiene-klimatische Aufnahme des Prozessumfeldes in Vorgabe des linearen Prozessablaufes lassen sich die vorliegenden hygienischen Risikopotenziale transparent sicher bewerten und tragen durch abgestimmte Maßnahmen zur erhöhten hygienischen Lebensmittelsicherheit bei.

INFOS ZUM AUTOR:

RALF OHLMANN

… bildete sich nach einer Ausbildung zum Metzger und Koch in den Bereichen Lebensmitteltechnologie, Ernährungswissenschaften, Betriebswirtschaft, Marketing und Informationstechnik weiter.

Viele Jahre arbeitete er als Fachberater für Prozesshygiene und Luftmanagement in der Fleischwirtschaft.

Heute ist er Wissenschaftlicher Forschungsleiter und CEO eines Luft- & Hygienefachinstitut sowie Leiter der Bundesfachkommission Agri & Food Business in Berlin.

Anschrift des Verfassers
Ralf Ohlmann, Just in Air GmbH,
Erbrichterweg 17, 28357 Bremen